Neun Monate dauerte es, bis das Stuttgarter Landesamt für Verfassungsschutz erstmals reagierte. Vor kurzem bekam die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut Post von der Behörde, die den Rechts -und Linksextremismus sowie Ausländerextremismus in Baden-Württemberg zu beobachten hat. „Der Inhalt war eher spärlich. Es war eine Seite. Darauf steht, an welchen Veranstaltungen ich teilgenommen habe oder wo ich wann gewohnt habe. Sonst nichts – und schon gar nichts, was man mir vorwerfen könnte“, sagte die Mannheimer Bundestagsabgeordnete der Linken dieser Zeitung auf Anfrage.
BND-Antwort noch offen
Außerdem wurde nach ihren Angaben zeitgleich im Januar dieses Jahres beim Bundesnachrichtendienst (BND) ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Bei der Geheimdienst-Behörde soll die Abgeordnete nach einem Bericht des Magazins „Focus“ im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) registriert sein.
Der BND ist der Auslandsnachrichtendienst; sein Auftrag ist die Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die für Deutschland sicherheitspolitisch eine Rolle spielen könnten. „Hier haben wir noch nichts gehört und keinerlei Informationen“, sagte Akbulut, die bei den Anfragen an die Geheimdienste mit einem Freiburger Rechtsanwalt zusammenarbeitet, dieser Zeitung.
Was ist gesammelt?
„Ich möchte endlich wissen, was bei diesen Behörden über mich gesammelt ist“, sagte sie weiter. Es könne nicht sein, dass „ich weiter kriminalisiert werde, weil ich mich politisch solidarisch mit Menschen erkläre, die davon betroffen sind, dass die Rechtsstaatlichkeit eine autoritäre Entwicklung nimmt“, betonte die Mannheimerin mit Blick auf die Entwicklung in der Türkei und Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Die in der Türkei geborene Politikerin ist immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, mit Organisationen zu tun zu haben, die der in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuften – und damit verbotenen – PKK zu nahe sind. Die PKK kämpft nach eigenen Angaben in der Türkei und teilweise auch in den angrenzenden Ländern für die politische Unabhängigkeit kurdisch besiedelter Gebiete.
Die in Hamburg aufgewachsene und seit 2011 in Mannheim lebende Akbulut ist im Jahr 2017 für die Linke in den Bundestag gewählt worden. Die Mannheimer Abgeordnete betonte, dass sie das Verbot der PKK in Deutschland für falsch halte. „Die PKK ist in vielen europäischen Ländern nicht verboten; das müsste hier auch so sein.“
Wofür entschuldigen?
In einem etwa zehn Monate alten Bericht des „Focus“ kommt der Mannheimer Polizeidirektor Dieter Schäfer zu Wort und erinnert an Ausschreitungen beim Kurdischen Kulturfestival im September 2012 in Mannheim.
Damals waren nach Angaben des Blattes etwa 2000 fanatische Kurden und die Polizei aneinander geraten; die Polizei sei mit Steinen und Feuerwerkskörpern attackiert worden, mehr als 80 Beamte seien bei den Ausschreitungen auf dem Maimarktgelände zum Teil schwer verletzt worden.
Akbulut war damals auch auf der Veranstaltung mit mehreren zehntausend Kurden aus ganz Europa und hat nach eigenen Angaben „versucht, die Eskalation zu bremsen“. Das sieht der Mannheimer Polizeidirektor und damalige Einsatzleiter Schäfer anders und sagte „Focus“: „Frau Akbulut hat sich nie für die Krawalle bei den verletzten Beamten entschuldigt. Sie steht nicht auf dem Boden unserer Verfassung.“
Zur Beruhigung beigetragen
Augenzeugen von damals unterstützen die Kritik und sagen, Akbulut sei Sprecherin der Veranstaltung gewesen und habe nichts zur Beruhigung beigetragen. Akbulut wiederum sieht keinen Anlass für eine Entschuldigung und sagte dieser Zeitung: „Wofür? Ich bin nicht für die Auseinandersetzungen verantwortlich. Im Gegenteil. Ich habe damals versucht, die Situation zu entschärfen.“ /ü