Vor 21 Jahren war ich zusammen mit drei anderen Mitarbeitern des evangelischen Dekanates in Tansania. Wir besuchten Christen im Süden des Landes nahe der Grenze zu Malawi, der Moravian Church.
An diese Tage im heißen Afrika wurde ich jetzt erinnert, nicht wegen der Hitze an der Bergstraße, sondern wegen der Lektüre des Buches „Das verlorene Paradies“ von Abdulrazak Gurnah. Wir haben es im Januar im Lesezirkel „Literatur und Religion“ gelesen.
Es handelt von einem jungen Mann in Ostafrika, der Jusuf genannt wird. Die biblische Erzählung von Joseph und seinen Brüdern fällt mir ein, und Jusuf ist im Koran der muslimische Name von Joseph. Weshalb ich das erzähle? Weil ich an einem Festgottesdienst zur Einweihung einer neuen Kirche teilnehmen konnte. Dort wurde ein tansanischer Bauer geehrt, der seinen christlichen Nachbarn den dauerhaften Zugang zu Wasser ermöglichte. Der besagte Geehrte war Muslim.
Und so war es nicht verwunderlich, als im vergangenen Jahr (im März 2021) in Tansania die muslimische Vizepräsidentin nach dem Corona-Tod ihres christlichen Vorgängers selbst Staatspräsidentin wurde, Samia Suluhu Hassan, ein friedlicher Übergang! Der alte Bauer und die neue Staatspräsidentin entsprechen dem Bibelwort, das an diesem Sonntag in unseren Kirchen gelesen werden: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbrüder der Heiligen und Gottes Hausgenossen“, Epheser 2,19.
Wir europäischen Christen (evangelisch, katholisch oder orthodox) müssen lernen, nicht mehr allein das Sagen weltweit zu haben. Vielmehr sind wir „Mit-brüder“ der Menschen in anderen Teilen der Welt. Statt Alleinvertretungsanspruch steht Mitreden als „Gottes Hausgenossen“ an. Deshalb nehmt – über Religionsgrenzen hinweg – einander an, wie Christus uns angenommen hat.