Theater Sapperlot

Elfter „Lorscher Abt“ geht an Matthias Ningel

Die Jury spricht dem Musiker den Kleinkunstpreis zu. Den Publikumspreis bekommt Magier Desimo.

Von 
Marvin Zubrod
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Mathias Ningel gewinnt den Lorscher Abt 2025. © Thomas Neu

Das Wichtigste in Kürze

Matthias Ningel ist der neue Kleinkunstkönig der Bergstraße. Der Musiker und Kabarettist hat am Dienstagabend im Theater Sapperlot den von Metallbildhauer Jürgen Heinz gestalteten und mit 1500 Euro dotierten 11. Lorscher Abt gewonnen. Der mit 700 Euro dotierte Publikumspreis ging an den Magier Detlef Simon, bekannt als Desimo. Im vergangenen Jahr hatte der Kabarettist und Musiker Henning Schmidtke beide Auszeichnungen erhalten.

Lorsch. Auch bei der nun elften Ausgabe, die passend auf den 11. November fiel, stand Musik und Kabarett im Mittelpunkt. Stets souverän moderiert wurde der Abend von Daniel Helfrich, für die Lichteffekte sorgte Carsten Keil an der Technik. Nicht zu vergessen die unverzichtbaren Organisatoren Hans-Peter und Silvia Frohnmaier, ohne die dieser wunderbare Abend für die Kultur nicht möglich gewesen wäre.

Los ging es mit der Singer- und Songwriterin Reni, die zudem den mit 600 Euro dotierten Newcomerpreis gewonnen hat. Die Frankfurterin steht ganz allein mit der Gitarre auf der Bühne, doch viel mehr braucht sie in diesen Minuten nicht. Ihre gefühlvolle Stimme berührt, nur begleitet von den sanften Gitarrenklängen. In ihrem Lied „1500 Meter“ singt sie über vergangene Liebe, unterdessen erstrahlt die Bühne in blauem, kühlem Licht. Reni hebt ihre Stimme, während sie die Zeile „dann küsst du ihn“ singt.

Nach so viel Gefühl geht es zunächst mit hanseatischer Komik weiter. „Maladée“ kommt aus Hamburg und ist die erste von vier Künstlern an diesem Abend, die um den Lorscher Abt kämpfen. Zwanzig Minuten haben sie jeweils Zeit, um die fachkundige Jury und das Publikum zu überzeugen. „Maladée“ zeigt dabei viel mehr als Hamburger Nüchternheit. Die Künstlerin mit dem französischen Akzent setzt auf Erotik und das Zusammenspiel mit dem Publikum. So holt sie insgesamt vier Männer auf die Bühne und lässt sich von diesen auf Händen tragen, während sie ein Chanson singt. Dem Publikum gefällt‘s. Es spendet langen Applaus – und begrüßt im Anschluss den Magier Desimo.

Matthias Ningel gehört zu den klanglich vielfältigsten Künstlern

Detlef Simon war erst vor zwei Wochen in der Lorscher Kulturstätte mit einem Soloprogramm. Dieses Mal unterschied sich sein 20 Minuten langes Programm inhaltlich von dem, was er vor zwei Wochen gezeigt hatte. Treu blieb er sich jedoch mit seiner Fingerfertigkeit. So zaubert er zum Beispiel aus einem Tischtuch eine kleine Ballerina-Figur, einen fast zwei Meter langen Luftballon lässt er wiederum in seinem Rachen verschwinden. Das Publikum ist mal wieder verdutzt – und zugleich erheitert. Denn Desimo zeigt nicht nur Tricks, er ist auch humorvoll und wortgewandt, wie er bei der Erklärung seines Künstlernamens zeigt. Desimo setzt sich bekanntlich aus seinem bürgerlichen Namen Detlef Simon zusammen. Bei seiner Oma Charlotte Simon wäre solch eine Kombination jedoch kaum möglich gewesen. Denn daraus hätte sich wohl der Künstlername „Charlosi“, ergeben, was gesprochen wie Jalousie klingt.

Nach der Pause sollte dann – bis dahin wusste es das Publikum nicht – der Gewinner des Abends auftreten: Matthias Ningel. Der 38 Jahre alte Musiker und Kabarettist gehört klanglich wohl zu den vielseitigsten Künstlern. So widmet sich Ningel in einem Song dem Beatboxing, also schlagzeugähnlichen Tönen, die von der Stimme imitiert werden. Besonders gut dazu eignet sich der Laut „pf“. Was Ningel dazu veranlasst hat, in seiner Komposition eine Reise von Pfungstadt bis in die Pfalz zu unternehmen. Dort trifft er dann auf Pflanzen, Pflaumen, Pfandbons, Pfennige und gleich mehrfach auf: Bettpfosten. Sicherlich kein naheliegendes Wort, dafür setzt sich Ningel mit dieser Kreativität von seinen Mitbewerbern ab, wie die Jury begründet. Diese besteht am Dienstag aus Stefan Leidner, Regine Neubert, Gabi Dewald, Angelika Borchert und Frederic Hormuth. Die Experten attestieren dem Künstler am Ende der Veranstaltung eine „unberechenbare Mischung“ aus Sprache und Musik.

Dazu kommt, dass sich Ningel mit einem weiteren selbst komponierten Lied gegen Rechtsextremismus ausspricht und von etwas Gebrauch macht, was der politische Gegner in seinen Augen nicht hat: eigene Musik. So verweist Ningel auf viele Unterlassungsklagen von Künstlern, die Donald Trump und anderen verböten, ihre Musik zu spielen. Dann singt er Zeilen wie: „Euch fehlt die Musik, dieses schillernde Vibrieren. Euch fehlt die Musik, das Herz und das Pulsieren. Und darum werdet ihr verlieren.“ Das Publikum spendet langen Applaus.

Mundhamronika gesellt sich zu Geige und Gitarre bevor es Konfetti regnet

Der letzte Auftritt gehört der Liedermacherin Marie Diot mit ihrem Gitarristen Fabian Großberg. Es ist ein angenehm erfrischender Auftritt, der humorvoll ist, aber keineswegs erzwungen wirkt. Diot erzählt mit einer stoischen Nüchternheit über ihr Leben in Büchen, einem Ort in Schleswig-Holstein, in dem so wenig passiert, dass die Bewohner sogar den Halt des nächsten Zuges am Bahnhof benennen können. Der ist schon angekündigt: für Mai 2026. So lange fährt in Büchen wegen Bauarbeiten für eine neue ICE-Strecke nichts.

Seinen Humor lässt das Duo in die Texte einfließen. Der Song „Heizkörper“ erzählt von einem attraktiven, heißen Partner, dessen „Heizkörper“ allerdings im Sommer überflüssig ist und bei der anderen Person daher nur im kalten Winter auf Gegenliebe stößt. Weniger heiße Momente gibt es im Lied „Mehr nicht weniger“, das von fehlgeschlagenen Flirtversuchen handelt. Klanglich begleitet sich Diot mal am Klavier, mal an einer kleinen Orgel, die auf ihrem Schoß liegt. Gemeinsam haben die Lieder, dass sie alle nahbar und sympathisch wirken, weil sie Geschichten aus dem Leben mit all seinen Tollpatschigkeiten erzählen.

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Während die Jury berät, zeigt im Anschluss das Duo „No but the frog“ außer Konkurrenz seine Lieder. Zudem präsentiert es im Sapperlot eine Kombination, die es sonst eher selten zu hören gibt: Geige und Gitarre. Dazu stößt zu „Don’t stop loving the world“ die Mundharmonika, die den geschmeidigen Klängen einen fetzigen Schliff verpasst – und damit genau richtig kommt zur Preisverleihung. Denn hierzu regnet es wenige Minuten später sogar Konfetti.

Obwohl von den vier Künstlern nur zwei, Desimo und Matthias Ningel, ausgezeichnet wurden, haben sich nun alle auf der Bühne versammelt und winken dankbar ins Publikum. Vier Stunden kultureller Vielfalt auf der schönsten Bühne Lorschs sind vorüber. Doch schon jetzt ist klar, dass die Zweitplatzierte Marie Diot – es gibt an diesem Abend drei zweite Plätze mit je 700 Euro dotiert – sogar für einen Auftritt im nächsten Jahr (29. Oktober) zugesagt hat. Wer einmal im Sapperlot war, kommt eben immer gerne wieder.

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