Bensheim. Es ist ein kleiner, aber bemerkenswerter, weil zielstrebig umgesetzter Mosaikstein für den traditionell unter Druck stehenden Bensheimer Wohnungsmarkt. Die Vario Wohnen GmbH hat auf dem Gelände der alten Brotfabrik an der Werner-von-Siemens-Straße 14 Sozialwohnungen in Zusammenarbeit mit dem Generalunternehmer Dreßler bauen lassen.
Der offizielle Übergabetermin war am 1. Juli, „wir waren aber bereits zwei Wochen vorher fertig. Dadurch konnten die Mieter schon früher den Umzug regeln und mussten nicht doppelt Miete zahlen“, betonte Geschäftsführer Ralph Gumb am Donnerstag bei einem Ortstermin mit Staatssekretär Jens Deutschendorf vom hessischen Wirtschaftsministerium. Der Grünen-Politiker kam – wie es bei solchen Anlässen üblich ist – nicht mit leeren Händen, sondern hatte einen Förderbescheid mitgebracht.
Gesamtkosten: 2,8 Millionen Euro
Mit einem Darlehen von 1,6 Millionen Euro und einem Finanzierungszuschuss von 640 000 Euro beteiligte sich das Land an dem Neubau mit Gesamtkosten von rund 2,8 Millionen. Die Stadt bewilligte zudem einen Kredit über 140 000 Euro. Insgesamt entstanden 1100 Quadratmeter Wohnfläche für Haushalte mit geringem Einkommen.
Die Zwei- und Vier-Zimmer-Wohnungen sind zwischen 43 und 86 Quadratmeter groß, die Kaltmiete liegt bei sieben Euro pro Quadratmeter. „Wir haben uns bewusst für große Wohnungen entschieden, um Familien helfen zu können“, so Gumb. Die müssen oft in zu kleinen Wohnungen ausharren, bis andernorts Kapazitäten frei werden. Doch das kann dauern. „Mietpreise steigen und steigen – ein Ende ist nicht in Sicht und Sozialwohnungen sind noch immer Mangelware“, bemerkte der Geschäftsführer.
Für sein Unternehmen war das Projekt eine Premiere, zum ersten Mal wurde man in diesem Bereich aktiv. Es sei eine neue, sehr interessante Erfahrung gewesen mit einigen Herausforderungen. Aber es habe Spaß gemacht. Eine dieser Herausforderungen war die Einbindung der Nachbarschaft und das Abbauen von Vorurteilen.
Das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum liege ihm persönlich, aber auch als SPD-Mitglied sehr am Herzen, führte Gumb weiter aus. Das Vorhaben in Bensheim soll nach der Premiere deshalb nicht gleich ins endgültige Finale übergehen. „Wir würden es gerne weiterverfolgen und befinden uns bereits in Gesprächen. Für das Unternehmen sei es wichtig, seiner sozialen Verantwortung gerecht zu werden.
Der Neubau auf dem Gelände der alten Brotfabrik hat dabei durchaus Vorbildcharakter. Es verfügt über eine Photovoltaikanlage, Dachbegrünung und Luft-Wärmepumpe, wodurch die Mieter vergünstigt Eigenstrom beziehen können – was letztlich die Nebenkosten drückt. Gumb lobte das Förderprogramm Allianz für Wohnen, das es privaten Anbietern ermögliche, ihre Vorhaben wirtschaftlich darzustellen. Die Vario Wohnen GmbH zählte zu den ersten, die diese neue finanzielle Unterstützung durch das Land (über Steuergelder) in Anspruch genommen haben.
Staatssekretär Deutschendorf zeigte sich erfreut über das Engagement vor Ort. Er habe Respekt davor, dass es trotz der bekannten Schwierigkeiten durch die Pandemie gelungen sei, den Neubau sogar noch früher als geplant fertigzustellen. Die Revitalisierung der früheren Gewerbefläche nannte er hinsichtlich eines sparsamen Umgangs mit Flächen richtig und wichtig.
Das komplette Gelände, auf dem im hinteren Bereich Ein- und Mehrfamilienhäuser angesiedelt wurden (wir haben berichtet) befindet sich im Besitz der Pfarrei Sankt Georg, die die Grundstücke in Erbpacht vergeben hat. Der Staatssekretär wies darüber hinaus auf die bundes- und landesweit hohe Nachfrage nach bezahlbarem und geförderten Wohnraum hin – und wie man dieser begegnen wolle.
„Im vergangenen Jahr wurden in Hessen insgesamt 3108 Wohnungen zur Förderung angemeldet – der höchste Wert seit 2009.“ Dazu hätten auch die deutlich verbesserten Förderbedingungen des Landes beigetragen. So werden bis 2024 insgesamt 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Für Bürgermeisterin Christine Klein, die ebenfalls am Ortstermin teilnahm, ist es nach eigenem Bekunden ebenfalls ein großes Anliegen, „dass wir als Kommune aktiv werden. Wir sind hier in der Verantwortung, etwas zu unternehmen“. Ein Ansatz müsse allerdings sein, keine reinen Quartiere (Stichwort Ghettoisierung) entstehen zu lassen, sondern für gut durchmischte Wohngebiete zu sorgen. „Wir sind auf einem guten Weg, in den vergangenen Jahren hat es einen Paradigmenwechsel gegeben“, so die Rathauschefin. Es sei unstrittig, dass es bezahlbare Wohnungen brauche.
Als Vorsitzende des Vereins Frauenhaus wisse sie, wie schwierig es besonders Frauen hätten, die nach dem Aufenthalt im Frauenhaus eine Unterkunft suchen. „Da spielen natürlich viele Vorurteile mit, denen man entgegentreten muss. Aber selbst dann gibt es kaum Wohnungen, die man sich mit einem niedrigen Einkommen leisten kann.“
Sie bedankte sich bei Ralph Gumb und seinen Mitarbeitern für die enge und gute Zusammenarbeit. Bei der Stadt gebe es eine lange Warteliste. „Ich bin deshalb froh über alle, die sich in diesem Bereich engagieren.“ Geht es nach dem Vario-Geschäftsführer, wird sich dieser Einsatz künftig fortsetzen.
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