Der Krieg in der Ukraine hat dazu geführt, dass einige Politiker ganz überraschend ein großes Interesse an der Bundeswehr zeigen und zu Milliardeninvestitionen in die Streitkräfte bereit sind, denn die vielfältigen Probleme der Bundeswehr, zu denen defekte Panzer gehören, Hubschrauber, die am Boden bleiben müssen und U-Boote, die nicht auslaufen können, werden von einer seit Jahren bestehenden Unterfinanzierung überschattet.
Nun soll die Einsatzfähigkeit der Armee optimiert werden, und man setzt voraus, dass es dafür genüge, nur die materiellen Defizite zu beseitigen.
Private Wachdienste
Es erheben sich jedoch erhebliche Zweifel, ob die erwünschte Qualitätssteigerung allein durch eine Verbesserung der materiellen Ausstattung erreichbar ist – wenn man erfährt, dass die Bundeswehr nicht einmal imstande ist, sich selbst, ihre Kasernen und Munitionsdepots zu bewachen.
Für diese Aufgabe werden in großem Stil private Wachdienste eingesetzt. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. März 2020 hieß es dazu: „Waren es 2012 erst knapp 200 Millionen Euro, so gab die Bundeswehr im vergangenen Jahr schon mehr als 430 Millionen Euro für die private Bewachung ihrer Liegenschaften aus.“
Hier verbirgt sich ein gewaltiges Sparpotenzial: Denn über 430 Millionen Euro im Jahr sind ein Betrag, über den man erschrecken kann angesichts der Tatsache,dass circa 170 000 bis 180 000 Soldatinnen und Soldaten nicht imstande sein sollen, diese Wachdienste auszuführen.
Als Gründe werden angegeben: die Konzentration der Streitkräfte auf ihre „Kernaufgabe“(?) und die Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinien für Soldaten. Es gab eine Zeit in der Bundeswehr, in welcher der Wachdienst für Soldaten selbstverständlich war und zur Festigung der Disziplin und zur bewussten Übernahme von Verantwortung beitrug.
Was ist im Ernstfall leistbar?
Mit Milliardeninvestitionen sollen nun die Qualitätslücken der Bundeswehr geschlossen werden, doch man scheint zu vergessen, dass auch die besten Waffen ihre Wirksamkeit nur entfalten können, wenn sie von hervorragenden Soldaten bedient werden.
Was kann man aber von einer Armee erwarten, die sich nicht einmal selbst bewachen kann und von privaten Wachfirmen beschützt wird? Was könnten Soldaten in einem Ernstfall leisten, die ihren Dienst nach den Arbeitszeitrichtlinien der EU ausrichten und dabei lernen,nach den Kategorien einer Stechuhr-Mentalität zu handeln?
Dieter Stephan
Bensheim