„Entspannt ist das Reisen mit maximal 100 Stundenkilometern zu keiner Zeit“, BA vom Freitag, 27. Januar
Ganz im Gegensatz zum Autor des Beitrages sind die eigenen Erfahrungen bezüglich der Problematik „100 km/h auf der Autobahn“ durchweg andere. Die zugegeben unangenehme Wahrnehmung, für andere Fahrer bei 100 km/h ein Verkehrshindernis zu sein, ist aus eigenem Erleben nachvollziehbar, aber nur deswegen, weil man sich diese Obergrenze hier selbst und freiwillig auferlegt hat und viele schneller fahrende Autofahrer dafür kein Verständnis zeigen – es ist ja sozusagen „unnötig und hält den Verkehr auf“. Diese Einstellung anderen Autofahrern gegenüber, die deutlich langsamer fahren, ist mir ehrlicherweise auch nicht fremd.
Ganz anders sieht die Sache aber aus, wenn „Tempo 100“ gesetzlich festgeschrieben wird. Dann dürfte man wahrscheinlich bei der großen Mehrheit der Verkehrsteilnehmer auf eine deutlich größere Akzeptanz stoßen, weil nun jeder dieser Vorschrift unterliegt und keinen Grund mehr hat, sich über andere aufzuregen oder eventuell sogar das eigene Verhalten schamvoll in Frage zu stellen (wie der Autor des Artikels). Denn dann ist das nicht mehr nur „eine Spinnerei von Umweltfanatikern“, sondern Gesetz.
Seit sehr langer Zeit machen wir Wohnwagenurlaub und legen jedes Mal große Entfernung zurück. Zugegeben, auf den ersten zehn Kilometern auf der Autobahn ist die persönliche Ungeduld noch sehr groß und man hat das Gefühl, mit 100 km/h kaum von der Stelle zu kommen. Aber das ändert sich schnell, denn man fährt nur noch selten Überholmanöver, weil man von allen ständig überholt wird, man benötigt kaum noch Beschleunigungs- und Bremsmanöver und „nuckelt“ mit 100 auf der rechten Spur dahin, weil einen auch bei diesem Tempo sogar die meisten LKW überholen. Also kann das Fahren mit „100“ tatsächlich ein sehr entspanntes Fahrerlebnis sein. Und: Der beim Thema „Wohnwagenfahren“ unerfahrene Leser wäre sehr überrascht zu erfahren, dass man mit annähernd konstant 100 km/h enorm zügig vorankommt und dabei ganz nebenbei sehr viele Kilometer „frisst“.
Aber neben dem „entspannten Fahren“ gilt es dabei noch einen - gerade für Deutschland - wichtigen Aspekt zu beachten: Die allgegenwärtigen Staus auf den Autobahnen, die viel Zeit (und damit oft auch Geld), Benzin, Geduld und CO2 kosten. Auf einer Rückfahrt aus den Niederlanden im vorigen Jahr herrschte an dem Wochenende sehr viel Betrieb auf den dortigen Autobahnen. Alle Autos fuhren ziemlich genau die dort vorgeschriebenen 100 km/h, so dass man bis zur deutschen Grenze nahezu zwei Stunden lang mit nahezu konstanten 100 km/h fahren konnte. Es gab keine wilden Beschleunigungen, keine brenzligen Bremsmanöver oder provokativ zu nahes Auffahren auf den Vordermann durch die „sportlich“ fahrenden Zeitgenossen. Wozu auch? Es hätte gar keinen Sinn gemacht. Und das war auch ein Hauptgrund dafür, dass es deshalb erst gar keinen einzigen Stau gab. In einer solchen Verkehrslage bei uns hätten sich gleich mehrere Staus ergeben – von den dabei leider „obligatorischen“ Auffahrunfällen gar nicht zu sprechen.
Sehr schnelles Fahren auf der Autobahn kann zugegebenermaßen großen Spaß machen – aber nur, wenn der Verkehr dies zulässt. Aber wann ist das denn mal wirklich der Fall? „Vernünftig“ ist diese Einstellung sicherlich nicht. Vernünftig wäre zum Beispiel, dass wir mit „Tempo 100“ – neben den beschriebenen Vorteilen – auch noch riesige Mengen an CO2 einsparen könnten; nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sogar das Dreifache dessen, was man bis noch vor Kurzem für das Machbare gehalten hat. Und dabei geht es um viele Millionen Tonnen CO2. In Zeiten der nun einmal leider sehr real gewordenen Klimabedrohung sollten wir uns auf jede vernünftige Möglichkeit der CO2-Einsparung stürzen.
Und falls „Tempo 100“ dem „gemeinen deutschen Autobahn-Autofahrer“, den Automobillobbyisten und manchem Politiker trotzdem noch als Zumutung erscheinen sollte, wäre ja vielleicht auch ein politischer Kompromiss mit „Tempo 120“ denkbar. Das wäre für uns alle schon ein riesiger Fortschritt, oder?
Ingo Spielhoff
Einhausen