Stadt gegen Pläne für Thermoplastik, BA vom 18. Juni
Nach den Vorstellungen eines Investors sollen 130 Wohnungen auf dem für diese Dimension relativ kleinen Areal der ehemaligen Thermoplast an der Bundestraße B 47 entstehen. Bürgermeisterin Christine Klein und Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung erteilen dem Schnellschuss massive Wohnbebauung mit einer Stellungnahme im Bergsträßer Anzeiger eine Absage. Richtig so!
Völlig überdimensioniert
Zum einen wird dies vom Investor bereits verkündet, ohne dass der notwendige Bebauungsplan überhaupt erst gewollt, erstellt, beraten und beschlossen ist. Deutlicher kann man der frisch gewählten Stadtverordnetenversammlung nicht zeigen, dass man sie nur für ein Abnicker-Gremium hält.
Zum anderen ist diese Vorstellung mit 130 Wohneinheiten auf relativ engem Raum und mit den zu erwartenden Ein- und Ausfahrtproblemem für schätzungsweise 200 Autos der Bewohner plus Besucher- und Anlieferverkehr unmittelbar neben der jetzt schon viel befahrenen Bundesstraße B 47 völlig überdimensioniert, von anderen absehbaren Problemen ganz schweigen.
Erschwerend hinzu kommt, wie Klein und Rauber-Jung in ihrer Stellungnahme deutlich machen, dass der zweite Bauabschnitt für das Gelände der sogenannten Villa Medici nur wenige hundert Meter weiter östlich ab der B 47 und besonders die geplante und in ihrer jetzigen Form durchaus umstrittene, weil ebenfalls zu massive Wohnbebauung, auf dem ehemaligen CBM-Gelände nur einen Kilometer weiter östlich schon zwei Brocken im einst schönen und nun zunehmend zugebauten Schönberger Tal darstellen.
Verkehrszählung erforderlich
Gerade am Beispiel Seegenberg zeigt sich aber, was eine in diesem Fall mit 170 Wohneinheiten und nur auf Maximierung ausgerichtete Planung kritisch und dringend überarbeitungswürdig macht und gibt einen Ausblick auf die Vorstellung zum Thermoplast-Gelände.
Erforderlich ist eine Verkehrszählung über mehrere Wochentage morgens und vormittags sowie nachmittags und frühabends, also zu Stoßzeiten und nicht während der Ferien, und daraus resultierend ein Verkehrsgutachten und -konzept. Annahmen und theoretische Berechnungen nützen hier nichts, sondern nur die Realität zählt.
Die Frage der Unterbringung von Kindern in örtlichen Kinderbetreuungseinrichtungen muss unbedingt geklärt werden, da die Kinderbetreuungseinrichtung in Schönberg nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt und man ja schließlich auch junge Familien ansiedeln möchte.
Die Randbebauung zum Hofweg hin, aber auch zur B 47 hin, muss mit Hilfe von intensiven geologischen Untersuchungen und Statikberechnungen geprüft werden. Dabei geht es um die Vermeidung von gefährlichen Hangabrutschungen und die daraus resultierende Kosten- und Haftungsfrage. Wer glaubt, dass so etwas nicht passieren könne, der schaue sich die nachträglich angebrachten Anker am Hang bei der Auffahrt der Konrad-Adenauer-Straße zum Leimenberg an, die auf Kosten des Steuerzahlers vor rund 20 Jahren eingebaut werden mussten.
Die Bebauung ist bezüglich der gepanten 170 Wohneinheiten nicht zuletzt aufgrund der Geländestruktur zu dicht, die Bebauung auf dem östlich gelegenen Plateau zu massiv und sie beeinflusst natürlich den Ortsbildcharakter erheblich.
Ein Kinderspielplatz und ein öffentlicher Platz mit Aufenthaltsqualität fehlen in der Planung.
Das Vorhaben ist deshalb in seiner jetzigen Form ohne die oben genannten Nachbesserungen und Änderungen meines Erachtens nicht zustimmungsfähig. Der Wachstumswahn – und der damit verbundene Bauwahn – in Bensheim muss endlich ein Ende haben. Die einst so lebens- und liebenswerte Struktur der Stadt ist schon längst nicht mehr, aber deshalb muss man ja nicht immer weitermachen mit der Verdichtung unter der alle leiden, nicht nur die Bewohner, sondern auch Nachbarn und Infrastruktur.
Und ob hier dringend benötigter und vor allem „bezahlbarer“ Wohnraum geschaffen wird, steht in den Sternen, so wie bei anderen größeren Projekten und Objekten im Stadtgebiet auch. Das Argument wird immer vorgebacht, um solche Vorhaben zu rechtfertigen, als gebe es keine Städte und Gemeinden um Bensheim herum, in denen es sich auch gut leben lässt.
Holger Steinert
Schönberg