Zeitzeichen Vom Segen der Ironie

Wer will immer schon ganz und gar verstanden werden - unser Kolumnist lobt die Ironie und warnt vor Menschen und Maschinen ohne Humor.

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Thomas Groß
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Rhetorik, also sprachliche Stilmittel sind schöne Sachen. Wer sie beherrscht, besteht auch einstweilen leichter den Turing-Test, jene Probe also, um zwischen einem Menschen und einer Maschine zu unterscheiden. Wer ein wenig Rhetorik benutzt, macht mithin nicht nur sein Sprechen und so auch sich interessanter, sondern kann zudem weniger leicht für einen Roboter oder eine andere Form von Computersystem gehalten werden. Und das könnte wiederum dann von Vorteil sein, wenn in einer Firma ein kühl kalkulierender Sparkommissar entscheiden soll, ob ein Teil der Belegschaft durch KI ersetzt werden kann. Dass im regionalen Sprachgebrauch Menschen von gewaltigem Körpermaß ebenfalls als Maschinen bezeichnet werden, sei hier nur am Rande erwähnt.

Man sollte vieles nicht so ernst nehmen

Zugegeben, im zuvor Gesagten war ein wenig Ironie im Spiel, die ebenfalls zur Rhetorik gehört. Mit diesem Stilmittel solle man aber besonders im Journalismus vorsichtig sein, heißt es seit je. Denn es könnte bei Lesenden oder Zuhörenden, bei Zusehenden und so fort zu Missverständnissen führen. Und gerade diesbezüglich verstünden diese Gruppen keinen Spaß!

Nebenbei: Kennen Sie die auch verfilmte Krimireihe „Lost in Fuseta“? Darin geht es um den Polizisten Lost aus Hamburg, der in Portugal aushilft und dort auch insofern „lost“ (also verloren) ist, weil er nicht nur seiner Nationalität wegen anders ist, sondern beispielsweise auch deshalb, weil er keine Ironie versteht. Lost ist nämlich Autist. Haben sehr korrekte und sehr auf Inklusion setzende Zeitgenossen eigentlich schon einmal mit Blick auf die Autisten unter uns grundsätzlich vor dem Gebrauch von Ironie gewarnt? Denkbar wäre es vielleicht, aber gerade mit Blick auf die Autisten im übertragenen Sinne, also auf die ganz und gar Geradlinigen, Stromlinienförmigen, die Sturen, Intoleranten, Humorlosen, Autoritären - mit Blick auf sie alle sollte man nicht auf Ironie verzichten. Es ist nämlich ein Mittel, um solche Personen nicht ganz ernst zu nehmen. Und das sollte man unbedingt.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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