Angesichts von Corona samt einer Tonlage in Moll mag im Kulturbetrieb niemand Loblieder auf Jubiläen anstimmen. Und so ging bislang unter, dass die Mannheimer Hochschule für Musik und Darstellende Kunst zu Jahresbeginn 1971, also vor 50 Jahren, in staatliche Trägerschaft übergegangen ist. Das Ereignis soll im Herbst sozusagen mit Pauken und Trompeten nachgefeiert werden, und dabei auch eine Hymne auf die über zweieinhalb Jahrhunderte währende Tradition erklingen. Wie Hochschulpräsident Rudolf Meister betont, seien die Festveranstaltungen auch ohne Lockdown fürs Spätjahr geplant gewesen.
Rückblick: Bereits 1756 unterstützte Kurfürst Carl Theodor, der Flöte spielte und wegweisend deutschsprachige Musikstücke aufführen ließ, das „Seminarium musicum“ des Jesuiten-Kollegs finanziell. Im gleichen Jahr berichtete die Mannheimer Zeitung über den ersten „oeffentlichen Lehrstuhl der Tonwissenschaft und Tonsezkunst“ an der von dem Komponisten und Geistlichen Abbé Vogler gegründeten „Mannheimer Tonschule“ mit internationalem Spitzenniveau. Außerdem reichen die Wurzeln der Mannheimer Akademie des Tanzes bis in die glanzvolle Zeit des Balletts im 18. Jahrhundert: Damals begeisterten bei dramatischen Handlungsballetten bis zu 80 ausgebildete Tänzerinnen und Tänzer.
Als das Land Baden-Württemberg 1971 in der Quadratstadt die kommunale Hochschule für Musik und Theater als Zusammenschluss mit der Heidelberger Lehrstätte übernahm, wurde die städtische Musikschule mit ihrem breiten Angebot für (Vorschul-)Kinder, Jugendliche und Erwachsene organisatorisch abgekoppelt. „Wir kooperieren aber eng“, kommentiert Rudolf Meister. Und deshalb sei selbstverständlich, dass die Musikschule in Jubiläumsfeierlichkeiten eingebunden sei.
Und was hat sich während eines halben Jahrhunderts in der Hochschul- Ausbildung verändert? Präsident Meister, eigentlich Pianist, verweist auf eine inzwischen weit komplexere Kunst-und Kulturszene, in der sich Profis mehr als früher vermarkten müssten. Obendrein habe sich die Pädagogik stark gewandelt. „Darauf müssen wir vorbereiten.“
Zu den neueren Entwicklungen gehört auch die Musikforschung, die in einem angegliederten Institut gebündelt wird. Laufende Doktorarbeiten – beispielsweise über den „Anspruch Kindorientierung“ bei Lehrwerken für den Violoncello-Unterricht oder über „ästhetische Bildung in der Vokalklasse“ – künden von der Themenvielfalt.
Medizinische Angebote geplant
Als große Herausforderung gelten außerdem medizinische Angebote speziell für Musiker und Tänzer. Denn deren physiologische Belastungen sind „enorm“, so Meister. Gefürchtet ist der „Musikerkrampf“ als Folge ständig gleicher Bewegungsabläufe.
Diesen Begriff im Sinne einer neurologischen Störung gab es noch nicht, als Robert Schumann, der wohl berühmteste Komponist der Romantik, seinen ursprünglichen Traum einer Pianisten-Karriere aufgeben musste – weil aufgrund seines besessenen Klavierübens Finger der rechten Hand streikten. Damit es zu solch einer Dysfunktion erst gar nicht kommt, sollen Studierende lernen, bewusst Fehlhaltungen wie Überbelastungen vorzubeugen und Warnsignale ernst zu nehmen.
Dafür ist eine Professur samt Ambulanz für Musiker- und Tänzermedizin geplant. Eine Berufungskommission gibt es schon, erläutert Meister, aber bislang sei noch niemand gefunden worden, der geeignet erscheint. Der Markt an solchen Experten sei „übersichtlich“.